Startseite | Aktuelles | Privat: Das Bürokratiemonster

Das Bürokratiemonster

Das Bürokratiemonster
Aktuelles
18.04.2024 — zuletzt aktualisiert: 25.04.2024

Das Bürokratiemonster

Bei Landwirten gehen aktuell sehr viele Verpächteranfragen zur Grundsteuerreform ein. Das bisherige Modell der Übernahme durch den Bewirtschafter erweist sich jetzt als extrem komplex.

Durch die Reform der Grundsteuer sahen sich landwirtschaftliche Betriebe in der zweiten Jahreshälfte 2022 und 2023 einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand ausgesetzt. Nunmehr stellt sich heraus, dass der Großteil des Aufwandes für die Betriebe erst noch ansteht. Das gilt insbesondere bei jenen Betrieben, die mit einer Vielzahl von Verpächtern in Vertragsbeziehungen stehen.

Was war passiert? Das System der Grundsteuer musste grundlegend erneut werden. Grundsteuer zahlt ein Grundbesitzer jährlich für die ihm zuzurechnenden Immobilien. Das können Häuser sein oder auch unbebaute Flächen wie Hof- und Gartenfläche, aber natürlich auch land- und forstwirtschaftliche Flächen. In den fünf östlichen Bundesländern wurde das System für die Landwirtschaftsbetriebe folgenschwer umgestellt.

Jetzt ist auch bei uns der Eigentümer gefragt

Ab 2025 wird die Grundsteuer nicht mehr vom Bewirtschafter der Flächen bezahlt (wie vorher seit der politischen Wende und der Wiedervereinigung). Stattdessen gilt das strenge Eigentümerprinzip. Wem die Fläche gehört, der muss zahlen. Näheres hierzu lasen Sie in Bauernzeitung 7/2022, S. 46/47. In den westlichen Bundesländern galt diese Regelung seit jeher. Im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2022 (dann nochmal verlängert) sollten Grundeigentümer ihre Immobilien im Rahmen einer Grundsteuerwerterklärung selbst bewerten. Die Bescheide gehen gerade immer noch ein.

Den Erlass der Bescheide für land- und forstwirtschaftliches Vermögen scheinen sich die Finanzämter bis zum Schluss aufgehoben zu haben. Für Verpächter landwirtschaftlicher Flächen stellt sich eine ungewohnte Situation ein. Sie hatten für diese Flächen erstmals mit der Grundsteuer zu tun. Aufgrund des erwähnten Eigentümerprinzips mussten die Verpächter – wie die Betriebe mit Eigentumsflächen – selbst eine Grundsteuerwerterklärung abgeben.

Ab 2025 müssen dann auch die Verpächter erstmals die Grundsteuer selbst tragen. Landwirtschaftliche Betriebe – gerade größere Einheiten mit einer hohen Anzahl an Verpächtern – sehen sich nunmehr mit Herausforderungen konfrontiert, die es erstmal zu bestreiten gilt. Im Folgenden soll uns ein kleines Beispiel die Probleme aufzeigen: Verpächterin Erna Schmidt bewohnt einen historischen Vierseithof, bestehend aus einem Wohnhaus und einem alten leerstehenden Stall, der einmal der individuellen Tier-haltung zu DDR-Zeiten und ein wenig darüber hinaus diente. Außerdem gehört zum Hof noch eine Scheune, die der Unterstellung von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte diente, als der Hof noch selbst bewirtschaftet wurde. Diese wird nun weitestgehend für die Lagerung von Brennholz für die Holzheizung von Frau Schmidt verwendet.

Einkommensteuer ist anders als Grundsteuer

Frau Schmidt verfügt über 4,26 ha landwirtschaftliche Fläche. 3 ha davon verpachtet sie an die Agrargenossenschaft „Grünes Glück“. Einen kleinen Teil von 1,26 ha verpachtet sie an einen Einzellandwirt. Frau Schmidt verfügt noch über 0,12 ha Wald, den sie für die eigene Brennholzversorgung nutzt. Das Brennholz schlägt für sie ein Dienstleister, der absprachegemäß auch die Einlagerung für die 82-jährige Dame übernimmt.

Ende März 2023 steht Frau Schmidt in den Büroräumen der Agrargenossenschaft „Grünes Glück“ – ihren Grundsteuerwertbescheid in der Hand und fragt, wie es nun weitergeht. Die Verpächterin ist zunächst ganz durch den Wind, dass der Bescheid ihr einen „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ zuordnet. Dabei hat sie doch immer nur an die Agrargenossenschaft „Grünes Glück“ verpachtet. Die Flächen sind bei Frau Schmidt Privatvermögen und im Einkommensteuerbescheid werden die Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dargestellt.

Alles richtig – für Zwecke der Grundsteuer hat Frau Schmidt tatsächlich einen Landwirtschaftsbetrieb, aber eben nur da und nicht bei der Einkommensteuer. Der erste Schreck hat sich gelegt. Vom Betrieb möchte Verpächterin Schmidt die Grundsteuer erstattet bekommen. Schließlich steht in ihrem Pachtvertrag mit der Agrargenossenschaft, dass diese die Grundsteuer für Frau Schmidt trägt.

Bescheid für Pächter nicht sinnvoll nutzbar

Zunächst muss die Verpächterin darauf hingewiesen werden, dass die „neue“ Grundsteuer von den Städten und Gemeinden erst ab 2025 erhoben wird. Der vorliegende Grundsteuerwertbescheid ist aber die Grundlage für die nächsten sieben Jahre Grundsteuer! Der Betrieb selbst kennt nur die 3 ha, die er von Frau Schmidt gepachtet hat.

Das entscheidende Problem ist, dass die Werte, die im Grundsteuerwertbescheid ausgewiesen werden, stark verdichtet sind. Die 4,26 ha Landwirtschaftsfläche werden zusammen ausgewiesen. Das ist problematisch für die Prüfung des Bescheides. Die Grundsteuerwerterklärung von Frau Schmidt musste sehr viel detaillierter sei. Hier wurden die einzelnen Flurstücke noch einzeln angegeben – genau mit Größe und Ertragsmesszahl, wie es das Finanzamt fordert. Im entsprechenden Bescheid finden wir nur Summen für Hektar und Ertragsmesszahl.

Als Folge ist für den Betrieb der Grundsteuerwertbescheid der Verpächterin nicht prüfbar. Es wird die Erklärung dazu benötigt. Die Agrargenossenschaft weiß, dass sie von Frau Schmidt 3 ha gepachtet hat. Sie kann aber nicht errechnen, wie hoch der Grundsteuerwert ist, der auf die von der Dame gepachtete Fläche entfällt. Im Bescheid werden 4,26 ha Landwirtschaftsfläche ausgewiesen, von der die Agrargenossenschaft jedoch nur 3 ha gepachtet hat. Diese 3 ha haben eine andere Ertragsmesszahl als die 1,6 ha, die an einen Einzellandwirt verpachtet sind. Diese 1,6 ha könnten Grünland darstellen, bei den 3 ha könnte es sich um Acker handeln. Aus dem Bescheid geht das leider nicht hervor.

Betrieb kann nicht alles selbst berechnen

Der Betrieb müsste im Grunde eine eigene Berechnung anstellen. Er könnte die Ertragsmesszahlen für die 3 ha selbst heraussuchen und so einen „Schattenbescheid“ erstellen. Bei einer Vielzahl von Pächtern kann das hinsichtlich der betrieblichen Arbeitszeit völlig entgleisen. Selbst Steuerberater sind mit einer Bescheidprüfung mindestens eine gute Stunde beschäftigt (je nach Umfang). Die Angestellten bei den Betrieben sind jedoch keine Steuerberater – müssen hier jedoch die gleiche Arbeit leisten.

Hinzu kommt, dass natürlich der Wald von Frau Schmidt ebenfalls im Grundsteuerwertbescheid ausgewiesen wird. Außerdem sind auch die Scheune und der Stall erfasst, da diese mangels anderweitiger Nutzung noch weiter zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören, wie im Bescheid korrekt ausgewiesen wird. Sowohl Wald als auch Gebäude hat die Agrargenossenschaft „Grünes Glück“ jedoch nicht gepachtet.

Die Bewirtschafterseite muss also jeden einzelnen Grundsteuerwertbescheid, mit dem die Verpächter beim Betrieb erscheinen oder diese zusenden, auseinanderpflücken. Damit dürfte für viele Betriebe nach der eigenen Grundsteuerwerterklärung der größte Teil der Bürokratiearbeit noch anstehen. Nochmal: Die Landwirtschaftsbetriebe müssen die Erklärungen der Verpächter von Grund auf nachbauen, wenn sie den Verpächtern die korrekte Grundsteuer erstatten wollen.

Messbetrag sorgt für neue Rechenprobleme

Das „Ergebnis“ des Grundsteuerwertbescheides ist der sogenannte Grundsteuermessbescheid. Beide werden in den meisten Fällen zeitgleich versendet. Das Ergebnis ist eben keine konkrete Grundsteuer, die ab 2025 zu zahlen ist, sondern nur dieser ominöse Grundsteuermessbetrag. Damit die Betriebe die richtige Grundsteuer ermitteln können, muss der Hebesatz der Gemeinde bekannt sein.

Auf die 18,37 € wird die Gemeinde ab 2025 den Hebesatz anwenden. Wenn dieser z. B. bei Grundsteuer A 300 % beträgt, würde der Betrag von 18,37 € mit Faktor 3 multipliziert, wodurch sich eine Grundsteuer von 55,11 € ergeben würde. Richtig ist dieser Rechenweg nicht, denn auf die Gebäude fällt Grundsteuer B an, die meist höher ist als die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Fläche. Die ist eine weitere Hürde für die Betriebe, wenn sie den Bescheid der Verpächter nachrechnen oder gegebenenfalls sogar neurechnen müssen.

Die Agrargenossenschaft müsste für eine Kostenerstattung an Frau Schmidt den Wald, die Gebäude und die an den Einzellandwirt verpachteten Flächen herausrechnen. Im Grunde muss der Be-trieb eine fiktive Grundsteuerwerterklärung „bauen“, diese bewerten und mit dem in 2025 geltenden Hebesatz der Gemeinde multiplizieren. Damit landen die Aufgaben von Steuerberater, Finanzamt und Gemeinde auf dem Tisch der Landwirtschaftsbetriebe. Und am Ende geht es im Zweifel um wenige Euro.

Wer zahlt bei falscher Berechnung?

Es ergibt sich ein weiterer Problemkreis. Was ist denn, wenn Frau Schmidt ihre Steuererklärungen völlig verkorkst hat und die einmonatige Einspruchsfrist verstrichen ist? Verfahrensrechtlich ist der Bescheid „dicht“, also nicht mehr änderbar. Frau Schmidt zahlt für die nächsten sieben Jahre eine zu hohe Grundsteuer, weil sie einen Zahlendreher bei der Ertragsmesszahl hatte. Zahlt dann der Betrieb die zu hohe Grundsteuer an Frau Schmidt, obwohl der Fehler bei ihr lag? Falls nein, ist jedoch der Betrieb wieder in der Position, die korrekte Grundsteuer zu ermitteln – also wieder eine Schattenrechnung.

Diese Aufgabe ist auch für Steuerberater nicht trivial, von den Landwirtschaftsbetrieben wird das jedoch anscheinend erwartet. In der Praxis gibt es einen schmalen Grat zwischen Verpächterpflege und dem Erfordernis, überhöhte Forderungen der Verpächter abzuwehren. Vielfach dürfte die Erstattung einer unnötig hoch festgesetzten Grundsteuer von den Betrieben im Interesse eines guten Verhältnisses „geschluckt“ werden.

Fazit:

Das vertragliche Erfordernis, Verpächtern die Grundsteuer zu erstatten, erweist sich im Zuge der Reform der Grundsteuer für Landwirtschaftsbetriebe in den östlichen Bundesländern als so kaum erwartetes Bürokratiemonster. Die Verpächter sind durch die neue Erklärungspflicht den mindestens drei Bescheiden (Grundsteuerwertbescheid, Grundsteuermessbescheid und schließlich Grundsteuerbescheid) ohnehin verunsichert. Es empfiehlt sich, bei neu abzuschließenden Pacht-verträgen auf eine Erstattung der Grundsteuer zu verzichten und stattdessen die Pacht pauschal zu erhöhen. Einfacher wäre dieses Vorgehen allemal.

Suchen
Format
Autor(en)


Dr. rer. agr. Marcel Gerds
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Mail: agrar-forst@etl.de


Alle Kontaktdaten

Weitere interessante Artikel