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Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte

Niedersächsisches Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit
Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte
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11.07.2024 — zuletzt aktualisiert: 14.10.2024

Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte

Niedersächsisches Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit

Die Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte hat nicht nur das Niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 24. April 2024 (4 K 6/24) beschäftigt. Auch der Bundestag befasst sich erneut mit der Regelung. Denn nach aktueller Gesetzeslage ist die Regelung mit Ende des Jahres 2022 ausgelaufen.

Gesetz zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Im Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2024 war daher eine Verlängerung der Tarifglättung für Land- und Forstwirte vorgesehen, allerdings nicht entfristetet, sondern nur um 6 Jahre verlängert. Die Betrachtungszeiträume umfassen geplant dann die Veranlagungszeiträume 2023 bis 2025 und 2026 bis 2028. Die Tarifglättung wäre danach letztmalig für den Veranlagungszeitraum 2028 anzuwenden. Die Bundesregierung begründet die Befristung damit, dass die Land- und Forstwirte mittelfristig den klimabedingten Ernteausfällen durch Umstellung in der Urproduktion vorbeugen sollen, sodass eine dauerhafte Tarifermäßigung nicht erforderlich ist und momentan auch rechtlich nicht zulässig wäre.

Inzwischen wurde die geplante Gesetzesänderung in das „Gesetz zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft“ ausgelagert, welches der Bundestag noch kurz vor der Parlamentarischen Sommerpause am 5. Juli 2024 verabschiedet hat. Die Zustimmung des Bundesrates steht allerdings noch aus.

Abmilderung der Folgen des Klimawandels

Ziel der Einführung der Vorschrift war eine steuerliche Entlastung aufgrund des globalen Klimawandels, welcher zunehmend spürbar zu massiven Ernteausfällen und daraus resultierenden schwankenden Gewinnen führe. Konkret sollte eine ausgeglichene Besteuerung aufeinanderfolgender guter und schlechter Wirtschaftsjahre gewährleistet werden, indem die progressive steuerliche Belastung durch die Gewinnschwankungen nachträglich durch eine individuelle Steuerermäßigung korrigiert wird.

Gewinnverteilung auf drei Veranlagungszeiträume

Bei der sogenannten Tarifermäßigung wird auf Antrag des Steuerpflichtigen nach Ablauf von drei Veranlagungszeiträumen (Betrachtungszeitraum) für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eine Tarifermäßigung gewährt. Diese erfolgt in der Form, dass die Summe der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer in den drei Jahren mit einer fiktiven tariflichen Einkommensteuer verglichen wird. Ist die tatsächliche Steuer höher, erfolgt im letzten Jahr des Betrachtungszeitraums eine Ermäßigung der tatsächlichen Einkommensteuer um den Differenzbetrag. Dafür müssen aber in mindestens zwei Veranlagungszeiträumen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden.

Die fiktive tarifliche Einkommensteuer wird für jeden Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums gesondert ermittelt. Dabei wird die Summe der tatsächlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gleichmäßig auf die Veranlagungszeiträume des Betrachtungszeitraums verteilt. Eine Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer ist ausgeschlossen. Sofern bei der Berechnung der Tarifermäßigung die Summe der fiktiven tariflichen Einkommensteuer die Summe der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer übersteigt, ist die Tarifermäßigung mitnNull Euro anzusetzen.

Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit

Im Urteilsfall ging es in der Hauptsache um Details der Berechnung der Tarifermäßigung in Bezug auf Kindergeld und Kinderfreibetrag. Bei der Berechnung der fiktiven tariflichen Einkommensteuer kann es dazu kommen, dass Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder Kinderfreibeträge nicht oder in veränderter Höhe zu berücksichtigen sind. Dieser Umstand kann sich sowohl zugunsten als auch zuungunsten auswirken. Es erfolgen für diese Zwecke keine Zu- und Abrechnungen auf die (fiktive) tarifliche Einkommensteuer. Das Finanzgericht hat diese Verwaltungspraxis in seinem Urteil bestätigt.

Interessanter sind jedoch die Ausführungen des Finanzgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Das Finanzgericht hatte Zweifel, ob der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes noch eingehalten sei. Dieser sei dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.

Gemessen an diesen Grundsätzen lasse sich die Regelung der Tarifglättung nicht mit dem Grundgesetz in Einklang bringen, da diese nur dann gewährt wird, wenn zumindest auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden. Damit liegt offensichtlich eine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen und solchen, die (ausschließlich) andere Einkünfte erzielen, vor. Da nach der Rechtsprechung allein die Differenzierung nach unterschiedlichen Einkunftsarten nicht ausreicht, stellt sich die Frage, ob die vom Gesetzgeber angeführten Gründe die Sonderregelung rechtfertigen können. Eine solche Rechtfertigung ist aus Sicht der Finanzrichter nicht ersichtlich.

Klimawandel trifft auch andere Branchen

Ohne Frage können die Folgen des Klimawandels und der dadurch ausgelösten Wetterextreme sowohl die typischen landwirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche des Ackerbaus als auch der Tierzucht betreffen. Indes können etwa auch Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb von den benannten Folgen ebenso betroffen sein. Zu denken ist hier insbesondere an den gesamten Bereich der Außengastronomie (z. B. Eisdielen und Biergärten), den Bereich der Schausteller (z. B. Jahrmärkte), den Bereich der Freizeitgestaltung unter freiem Himmel (z. B. Freizeitparks, Zoos) oder auch an gewerbliche Tätigkeiten im Bereich der Landwirtschaft (z. B. Vieh- oder Getreidevermarktung).

Demgegenüber unterliegen auch nicht sämtliche Lebenssachverhalte, die zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führen, den Folgen des Klimawandels. So erzielen nicht wenige Land- und Forstwirte die Einkünfte allein aus der Verpachtung des ehemals selbst bewirtschafteten Betriebs. Die Einkünfte hängen hier im Grundsatz nicht von der Witterung ab.

Rechtsform entscheidet über Begünstigung

Des Weiteren stellt die Tarifbegünstigung allein auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ab und nimmt daher die Betriebe von der Begünstigung aus, die zwar landwirtschaftlich tätig werden, aber kraft Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen. So können originär landwirtschaftliche Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden. Auch Betriebe, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, z. B. einer GmbH betrieben werden, profitieren nicht von der Regelung.

Hinweis: Gleichwohl sieht der Senat von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ab. Die Entscheidung des Finanzamtes stellt sich aus anderen Gründen als zutreffend dar, sodass es im Streitfall an einer Entscheidungserheblichkeit hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit fehlt. Land- und Forstwirte können also weiter hoffen, dass die Tarifermäßigung mit dem geplanten Gesetz bis Ende 2028 verlängert wird.

Update:
Der Bundesrat hat am  dem Gesetz zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zugestimmt (BR-Drucks. 415/24 [Beschluss]).

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