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Die Beschäftigung ukrainischer Kriegsflüchtlinge in der Landwirtschaft

Die Beschäftigung ukrainischer Kriegsflüchtlinge in der Landwirtschaft
Aktuelles
18.03.2022 — zuletzt aktualisiert: 05.04.2022

Die Beschäftigung ukrainischer Kriegsflüchtlinge in der Landwirtschaft

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind mehr als drei Millionen Menschen aus dem Land geflohen, davon über 160.000 nach Deutschland. Bei ihrer Aufnahme und Versorgung haben sich Landwirte in der ganzen Bundesrepublik engagiert, sei es durch Geld- und Sachspenden oder die großzügige Unterbringung Geflüchteter in den eigenen Räumlichkeiten. Und auch langfristig kann die Branche eine wichtige Rolle spielen, um den Menschen aus der Ukraine eine langfristige Perspektive zu bieten. Durch das Inkrafttreten der „Massenzustrom-Richtlinie“ auf europäischer Ebene wurden nun die Voraussetzungen geschaffen, den Geflohenen einen sicheren Aufenthaltsstatus und eine Arbeitserlaubnis in der EU zu ermöglichen. In einem brandneuen und regelmäßig aktualisierten FAQ-Artikel zeigen die ETL Rechtsanwälte, wie es Arbeitnehmern gelingt, ukrainische Flüchtlinge bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu unterstützen und welche rechtlichen Fallstricke es zu beachten gilt.

Das Recht zum Aufenthalt

Seit 2017 besteht die EU-Visafreiheit für ukrainische Staatsbürger, sofern sie über einen biometrischen Reisepass verfügen. Ist dies nicht der Fall, wird ihnen ein Schengen-Visum erteilt. In beiden Fällen dürfen sich ukrainische Staatsangehörige an 90 Tagen im Halbjahr in der EU und damit in Deutschland rechtmäßig aufhalten, jedoch keine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies war die Rechtslage vor Kriegsbeginn und ist es auch aktuell.

Mit Beginn des Krieges und der einsetzenden Fluchtwelle genügten diese rechtlichen Möglichkeiten nicht mehr. Am 8. März ist daher die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung in Kraft getreten, die bis zum Ablauf des 23. Mai 2022 gilt. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und die bis zum Außerkrafttreten dieser Verordnung in das Bundesgebiet eingereist sind, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen, vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Dies gilt auch für Ukrainische Staatsangehörige, die am 24. Februar 2022 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatten, aber die sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben sowie für in der Ukraine anerkannte und Personen, die in der Ukraine internationalen oder gleichwertigen nationalen Schutz genießen. Selbstverständlich gilt diese Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels auch für ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24. Februar 2022 bereits rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, ohne den für einen langfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel zu besitzen.

Das Recht zur Aufnahme einer Beschäftigung

Grundsätzlich dürfen nur Ausländer, die einen Aufenthaltstitel besitzen, eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dies gilt auch für ukrainische Kriegsflüchtlinge. Die Zulassung ausländischer Beschäftigter orientiert sich an den Erfordernissen des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und ist unter den Voraussetzungen der Fachkräfteeinwanderung möglich. Diese Regelungen orientieren sich jedoch an der Migration unter normalen Umständen und werden der besonderen Situation bei Flucht und Vertreibung nicht gerecht. Die Europäische Union als Konsequenz des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien für solche Krisen schon im Jahr 2001 Regelungen getroffen und die Massenzustromrichtlinie verabschiedet, die von der Bundesrepublik mit § 24 Aufenthaltsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. Der Anwendungsfall dieser Vorschrift ist nun erstmals in der Geschichte beschlossen worden.

Einem Ausländer, dem auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG (Massenzustromrichtlinie) vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, wird für Dauer von zunächst einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (§ 24 Aufenthaltsgesetz). Dieser Beschluss des Rates der Europäischen Union ist am 04.03.2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und am gleichen Tag in Kraft getreten.

Der Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG ermöglicht zwar grundsätzlich nicht die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Es besteht jedoch ausdrücklich die Möglichkeit, dass die zuständige Ausländerbehörde hiervon eine Ausnahme macht und die Beschäftigung erlaubt.

Nach Art. 12 der Massenzustromrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit nach für den jeweiligen Berufsstand geltenden Regeln sowie von Tätigkeiten in Bereichen wie z. B. Bildungsangebote für Erwachsene, berufliche Fortbildung und praktische Erfahrungen am Arbeitsplatz. Diese Vorgaben des europäischen Rechts dürften das Ermessen der Ausländerbehörden auf die Pflicht zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mit der Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit reduzieren.

Nach der Massenzustromrichtlinie können die Mitgliedstaaten EU-Bürgern, Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Aufenthalt, die Arbeitslosengeld beziehen, aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik Vorrang einräumen. Davon hat die Bundesrepublik jedoch keinen Gebrauch gemacht. Nach § 31 der Beschäftigungsverordnung bedarf die Erteilung der Erlaubnis zur Beschäftigung an Ausländerinnen und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, die u.a. nach § 24 des Aufenthaltsgesetzes erteilt worden ist, keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.

Auch für die nach den beschriebenen Regeln aufenthaltsberechtigten ukrainischen Kriegsflüchtlinge gilt: Eine Beschäftigung ohne Aufenthaltstitel, der die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt, ist unzulässig und strafbar! Bei der zuständigen Ausländerbehörde kann jedoch unbürokratisch mit Hinweis auf § 24 AufenthG ein Aufenthaltstitel mit Erwerbsberechtigung beantragt werden.

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Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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